Äschlitagwach – Auswendig – Marsch!

Ein Bericht zur Äschlimusik von Thomas Egli, ehem. Sektionsleiter des Tambourenvereins Elgg

Dass der Sappeur mit seiner massiven Axt über der Schulter gleich um die Ecke kommt, ist nicht überraschend: die hinter ihm marschierenden Pfeifer und Tambouren haben die Äschli-Kompagnie hörbar angekündigt. Möglicherweise sogar mit einem Stück Filmmusik!

 

Aschermittwochgesellschaft und Tambourenverein Elgg verbindet eine enge Freundschaft. Obwohl es sich um zwei völlig verschiedene Vereinskörper mit unterschiedlichen Interessen handelt, liegt bei beiden das Wohl des anderen wie selbstverständlich ganz vorne. Während der eine Ausbildungskosten spart, gewinnt der andere Mitglieder. Der eine bestimmt das Repertoire, der andere zeigt, wie sich dieses Spielen lässt.

Ein Äschli ohne Tambouren und Pfeifer? Unvorstellbar!

Trommeln wie auch Piccolo-Pfeifen hatten sich schon vor hunderten von Jahren im „Kriegsdienst“ bewährt. Tambouren werden heute noch in der Militärmusik eingesetzt, wobei weniger zum Signal als zunehmend im Konzert und Unterhaltungsbereich. Das Piccolo hingegen ergänzt heute nur noch die Harmonie-Besetzung  (Holz- und Blechbläser) eines Militärspiels, wo es mit seinen durchdringenden hohen Tönen Akzente setzt. „Marschmusik“ soll den Truppen den Gleichschritt ermöglichen. Die hellen Klänge der Piccolo-Flöten sind weit zu hören. Ganz am Ende des Äschli-Umzugs ist dies den tapferen „Chnöpfli“ (den jüngsten „Soldaten“) eher egal. Mit ihren kurzen Beinen nehmen sie schnellere Schritte, um den Anschluss nicht zu verpassen. Der zur Musik passende Gleichschritt wird insbesondere von einem Äschlipfeifer und -tambour vorausgesetzt und da zahlt sich aus, wenn ein Anfänger bereits Äschli-Erfahrung mitbringt. Ausgebildet werden die Äschli-Musiker beim Tambourenverein Elgg. Vermutlich trägt der Äschli dazu bei, dass der Elgger Tambourenverein der letzte mit einer aktiven Pfeifergruppe ist in der Ostschweiz. Auf Seite „Piccolo“ zählt der Tambourenverein aktuell siebzehn Jungpfeifer in seiner „Junge Garde“. Knapp die Hälfte ist bereits in der Äschlikompagnie im Einsatz, die andere Hälfte auf dem besten Weg dazu.

Ein Äschli nur für die Buben? Tradition!

Drei Namen auf der Liste der „Junge Garde“-Pfeifer werden kaum jemals eine Äschlikompanie anführen, weder als Pfeifer noch als Kader. Sie heissen Jael, Anna und Valentina, besuchen in Elgg die Primarschule und haben genauso wie Jungs in ihrem Alter am Aschermittwoch schulfrei. Ihr musikalischer Äschli-Beitrag findet vorerst nur in der Dunkelheit statt: An der Tagwache!

Nie klingen die Glocken-Schläge beim Lindenplatz mystischer als dieses eine Mal pro Jahr, am Äschli-Morgen um 4 Uhr, gefolgt vom Kanonenschuss und dem Kommando „Äschlitagwach!  –  Vorwärts!  –  Marsch!!“. Aus dem Getuschel der weit über hundert Teilnehmer und Schaulustigen beim Startpunkt entfesseln die gemächlichen Trommelwirbel und Paukenschläge ihre einmalige Dynamik in die kalte Nacht, bald gefolgt von den sich wiederholenden drei Pfeifer-Versen.  Die Tagwache gehört allen Elggerinnen und Elggern! Und so bietet sich den drei jungen Pfeiferinnen die Möglichkeit, am Äschli aufzutreten, auch wenn sie dafür ungewohnt früh aus den Federn müssen.

Im vergangenen Frühling haben sich die Sechstklässlerinnen Jael und Valentina erstmals mit dem Basler-Piccolo auseinandergesetzt. Nach den Sommerferien stiess Anna – aus einem früheren Kurs mit lauter Jungs – zu dieser Mädchen-Gruppe dazu. „Im Gegensatz zur Blöckflöte muss ein Piccolo-Anfänger zuerst lernen, die Luft nicht ins Instrument, sondern über die Öffnung beim Mundstück hinweg zu pusten“ meint Yvonne Egli, welche selber seit Jahren bei der Aktivsektion pfeift und ergänzt: „Dann erst geht’s an die Fingerfertigkeit für die Löcher und Klappen. Das haben die Mädchen erstaunlich rasch umgesetzt!“. Eine Probestunde besteht aus Notentheorie und praktischen Übungen. Am vereinsinternen Chlausabend des Tambourenvereins Anfang Dezember wagte sich das Trio für ein Piraten-Stück und dem für Jungtambouren und -pfeifer komponierten „Spitzbueb“ ebenfalls auf die Bühne. Die sehr guten Fortschritte erlaubten zu Jahresbeginn das Verteilen der Noten für die Äschli-Tagwache und somit die Aussicht, am Äschli aktiv mitzuwirken.

Auf die Frage zur Motivation für dieses Instrument meint Valentina: „Ich finde das Piccolo ein cooles Instrument. Es ist nicht alltäglich, einfach etwas Spezielles!“ Jael ergänzt: „Mir gefällt, dass ich nicht alleine üben muss. Das Musizieren in einer Gruppe macht mir Spass!“. Anna hat das Basler-Piccolo bereits im Blut: „Mein Mami und mein Grossmami spielen schon Piccolo im Tambourenverein“. Nur zu gerne würden die drei auch für die Äschli-Kompanie musizieren. Für nächstes Jahr ist schon mal der Zapfenstreich im Visier, im 2025 der «grosse Äschliumzug» und  später dann die Fasnacht mit dem Tambourenverein.

Tagwacht-Hauptprobe der Pfeifer: Jael, Valentina und Anna freuen sich auf ihre erste Äschlitagwache

 

Ausbildung von Tambouren und Pfeifern

Jeweils zwei Wochen nach dem Äschli lädt der Tambourenverein zu einem Info-Abend für Anfänger ein. Der wäre somit am Mittwoch, 28.02.2024, 19 Uhr, im Tambouren-Hüsli (Pfeifer im linken Raum, Tambouren im rechten). Das aus der Praxis bewährte Mindestalter beträgt 9 Jahre, ob Junge, Mädchen oder schon ausgewachsen egal. Philipp Fuchs, selbst Pfeifer und seit letztem Jahr Sektionsleiter, weist darauf hin, dass nach zwei Jahren mit einem ersten Äschli-Einsatz als Pfeifer oder Tambour gerechnet werden kann: „Beide Instrumente benötigten Ausdauer und genügend Freizeit für eine wöchentliche gemeinsame Probe“. Die im Unterricht gezeigten Techniken werden zu Hause ständig wiederholt. Nur so gehen sie in einen Automatismus über. Das gelingt Jugendlichen besser als Erwachsenen. Ein Äschlitambour schlägt pro Minute zwischen 300-400 Mal auf’s Fell. Ob rechts oder links ist aufgrund der Noten vorgegeben, da bleibt keine Zeit, sich über jeden Schlag noch Gedanken zu machen. Die Elgger sind stolz, über Lehrkräfte aus den eigenen Reihen zu verfügen und gelegentlich auch Erwachsene in dieses traditionelle Handwerk einführen zu können.

Für die angehenden Äschli-Pfeifer geht’s nach der Tonleiter und ersten einfachen Melodien zügig in Richtung der bekannten Äschli-Märsche. Hierbei handelt es sich nicht um in Elgg komponierte Märsche. Sie entstammen preussischen Militärmärschen, was viele wegen der überlieferten umgangssprachlichen Bezeichnungen wie „Kleiner Rekrut“ oder „Alter Armeemarsch“ nicht wissen. Letzterer findet sich übrigens im Blockbuster „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“, Szene mit der Bücherverbrennung in Berlin: Zunächst erklingt im Hintergrund der „Königgrätzer-Marsch“, dessen Trio die Elgger als «Alter Armeemarsch» kennen.

Für Tambouren wie auch Pfeifer gilt übrigens das „auswendig“ Spielen! Das sind bei den Äschlitambouren immerhin 23 verschiedene Verse Ordonnanz-Märsche plus die militärischen Signale (Sammlung, Tagwache, Fahnenmarsch). Wer am Äschli trommelt oder pfeift, hat unzählige Stunden Freizeit investiert! Übrigens: An der diesjährigen Äschlitagwache erreichten die Pfeifer annähernd dieselbe Teilnehmer-Zahl wie die gewöhnlich in starker Überzahl anwesenden Tambouren und Pauker. Knapp 40 Piccolos wurden gezählt, inklusive der drei Nachwuchspfeiferinnen. Das hat’s in den letzten Jahrzehnten nie gegeben. Eine äusserst erfreuliche Entwicklung! Immer wieder faszinierend ist auch die Anzahl von (zumindest zu Beginn) gut über 200 Frühaufstehern, welche nicht nur am offenen Fenster stehen, sondern sich zu Fuss dem gemächlichen Tross anschliessen. Ob an der Tagwache tatsächlich noch irgendwo jemand geweckt wird, bleibt das grosse Geheimnis!

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